FC Starkenburgia erlebt spannende „Galgenwanderung“ mit dem Heppenheimer Geschichtsverein

Der FC Starkenburgia erlebte am vergangenen Wochenende (Samstag, den 24.06.2023) eine außergewöhnliche Führung unter dem Motto „Galgenwanderung“. Bei strahlendem Sonnenschein begaben sich rund 20 Mitglieder des Fußballclubs auf eine spannende Reise in die Geschichte von Verbrechen und Strafjustiz in Heppenheim. Prof. Dr. Karl Härter, Vorsitzender des Heppenheimer Geschichtsvereins, führte die Teilnehmer an historisch bedeutsame Orte, die mit dem Recht, Gericht und Strafe vergangener Jahrhunderte in Verbindung stehen.

Die Galgenwanderung des FC Starkenburgia begann am imposanten Heppenheimer Rathaus, das einst auch als Gerichtsgebäude fungierte. Dort tagte neben dem Stadtgericht auch gelegentlich das am Landberg beheimatete Centgericht, das harte Strafen verhängte. Davon zeugen noch die am Rathaus links und rechts angebrachten Prangerkonsolen mit Ketten, auf denen einst verurteilte Menschen öffentlich an den Pranger gestellt wurden.

Der nächste Stopp führte die Teilnehmer durch die malerische Schunkengasse zur alten Stadtmauer und zwei ehemaligen Stadttürmen: dem Würzburger Torturm und dem „Diebsturm“. In diesen wurden einst Delinquenten eingesperrt, und die bedrückende Atmosphäre vergangener Zeiten war noch spürbar. Prof. Härter präsentierte alte Zeichnungen der Stadttürme, auf denen die Gefängnisse erkennbar waren, in die die Delinquenten „eingelocht“ wurden. Die Mitglieder des FC Starkenburgia waren von der detaillierten Darstellung fasziniert und stellten neugierig Fragen zur Geschichte der Stadt. Dabei erfuhren sie auch, dass im 18. Jahrhundert rund 3000 Menschen innerhalb der Stadtmauern lebten.

Im Anschluss machte die Galgenwanderung Halt im Kurmainzer Amtshof, wo derzeit ausgelassene Feierlichkeiten stattfanden und der alljährliche Weinmarkt in vollem Gange war. Im „Armesünderstübchen“ im Erdgeschoss des imposanten Kapellenturms führte das Centgericht Verhöre durch wurden Delinquenten gefoltert, um Geständnisse zu erzwingen.  Prof. Härter zitierte aus einem Verhörprotokoll des Hans Nickel Engelhard aus Kirschhausen und aus der Rechnung des Scharfrichters, der 1758 fünf Mitglieder einer „Räuberbande“  auf der „Mannheimer Bank“ gefoltert hatte. Obwohl sie den Verhör- und Folterraum nicht betreten konnten, bekamen die Mitglieder des FC Starkenburgia so einen Eindruck von der düsteren Vergangenheit dieses Ortes.

Von der malerischen Heppenheimer Altstadt begab sich die Galgenwanderung weiter in Richtung des heutigen Sportplatzes „Am Galgen. Auf dem Weg zum Galgen passierte die Galgenwanderung den sogenannten Streitstein, der ein Gerichtsurteil im „Wäppnerstreit“ zwischen Bensheim und Heppenheim markiert. Beide Städte hatten darum gestritten, wer die Delinquenten zum Gericht führen durfte. Der Streitstein symbolisierte das Urteil des Pfälzer Hofgerichts und markierte gleichzeit den Punkt, an dem die Heppenheimer Wäppner (Wächter) einen Delinquenten an die Bensheimer übergeben mussten.

Anschließend führte die Galgenwanderung zum heutigen Fußballplatz der Starkenburgia, genauer gesagt zum Centgericht auf dem Landberg, einem markanten Hügel direkt westlich des Vereinsgeländes. Dort tagte vom 13. bis 18. Jahrhundert das Strafgericht für das Amt Starkenburg, 14 Schöffen aus Bensheim und Heppenheim sprachen Urteile und der Richter brach den Stab, wenn eine Todesstrafe verhängt wurde.  Prof. Härter trug einige Beispiele vor, darunter auch leichtere Verbrechen, Streitigkeiten und Beleidigungen, mit denen sich das Gericht  im 18. Jahrhundert vorwiegend beschäftigte. Die Mitglieder des FC Starkenburgia waren beeindruckt von den Geschichten vergangener Justizpraxis. Prof. Härter wies auch darauf hin, dass sich am Landberg  auch die Centmannschaft aus jungen Männer und Haushaltsvorständen versammelt hatte. Sie war zu verschiedenen Diensten verpflichtet und musste z.B. Gefangene bewachen, die Gerichts- und Hinrichtungsstätte abschirmen oder auf Streife gehen, um Vagabunden, Räuber und Diebe zu fangen. Die Centmannschaft übte diese Dienste am Gerichtsplatz, wahrscheinlich auf dem Gelände, auf dem sich heute der Fußballplatz befindet. Diese Verbindung zwischen der historischen Bedeutung des Ortes und dem heutigen sportlichen Engagement des FC Starkenburgia verdeutlicht, wie sich die Nutzung des Areals über die Jahrhunderte hinweg verändert hat.

Der Hügel bot zudem eine kurze Verschnaufpause, bevor die letzte Station der Galgenwanderung erreicht wurde: die historische Hinrichtungsstätte. Die Teilnehmer der Galgenwanderung des FC Starkenburgia waren überrascht, als sie erfuhren, dass der Galgen, der einst zur Vollstreckung der Todesurteile diente, nicht unmittelbar am Vereinsheim stand. Stattdessen mussten sie – wie die Hinrichtungszüge der Vergangenheit – vom Centgericht aus bis zur Gemarkungsgrenze zwischen Heppenheim und Bensheim weiterlaufen, um die ehemalige Hinrichtungsstätte zu erreichen. Sie liegt am Hemsberg, etwas oberhalb der Bundesstraße und wurde über den ehemaligen Galgenweg erreicht. Härter erläuterte, dass dort über 50 Hinrichtungen durch den Bensheimer Scharfrichter vollzogen wurden. Meist wurden die Delinquenten am Galgen erhängt, einige – wie insbesondere Kindsmörderinen – auch geköpft. Die damaligen Hinrichtungen waren öffentlich und glichen einem regelrechten Volksfest. Die Teilnehmer standen folglich an einem Ort, an dem einst das Schicksal vieler vom Centgericht verurteilter Verbrecher besiegelt wurde. Prof. Härter zeigte auch die gegenüber liegende Galgenwiese, auf der die hingerichteten Personen begraben wurden. Dort wurden 2002 drei noch vollständige Skelette von Hingerichteten ausgegraben und forensisch untersucht. Einige der Anwesenden waren schockiert, als sie erfuhren, dass die Leichen zum Zweck der Abschreckung erst 2-3 Jahre am Galgen hingen, ehe sie dort verscharrt wurden.

Im Anschluss an die eindrucksvolle Galgenwanderung kehrten die Teilnehmer des FC Starkenburgia zurück zum Vereinsheim, wo sie sich zu einem abschließenden Galgenumtrunk versammelten. In gemütlicher Atmosphäre wurden die Ereignisse des Tages noch einmal zusammengefasst und intensiv darüber diskutiert. Die Teilnehmer tauschten ihre Eindrücke, Emotionen und Gedanken über die aufschlussreiche Tour aus, die sie an die historischen Orte von Verbrechen und Strafjustiz geführt hatte. Es war eine Gelegenheit, um das Erlebte zu verarbeiten und sich über die Bedeutung der historischen Stätten für das Verständnis der eigenen Heimat auszutauschen.

Wir möchten uns bei Prof. Dr. Karl Härter und dem Heppenheimer Geschichtsverein bedanken. Es war ein tolles Erlebnis!